Triathlon XL de Gérardmer Finisher 2005

September 2004: Eigentlich hätte ich mal Lust auf eine Ironman-Distanz. Als Frankreich-Fan könnte ich mir gut Gérardmer vorstellen.

03. Oktober: Ich laufe zur Sicherheit einen Marathon, zwar relativ unvorbereitet und in 04:29, doch immerhin 20 min schneller als im Vorjahr.

November: „Finisher Concepts“ bietet ein Trainingsseminar an. Nach Erarbeiten eines individuellen Trainingsplans stelle ich voll Optimismus fest: Es ist tatsächlich machbar!

01. Dezember: Kleiner Rückschlag – ich muss operiert werden.

31. Dezember: Einen Silvesterlauf von 7,7km durchgehalten – ich bin wieder da!

Januar 2005: Im Triathlonmagazin entdecke ich ein Preisausschreiben, in dem Startplätze für Gérardmer zu gewinnen sind. Natürlich mache ich mit und überlasse nun der Glücksfee die Entscheidung über meine erste Teilnahme an einer Langdistanz.

Februar: Tatsächlich gewonnen! Panik und Euphorie machen sich gleichzeitig breit. Ich beginne mit intensivem Schwimmtraining.

März: Bei Regen, Wind und Graupelschauern wird jetzt die Grundlagenausdauer im Radfahren aufgebaut. Trotz der widrigen Bedingungen ein gutes Gefühl.

April: Jetzt wurde doch die Strecke tatsächlich auf „nur noch“ 3-120-30 reduziert! Ich fluche und bin ziemlich frustriert. Den Grund kann ich allerdings verstehen: Der „echte“ Ironman ist ja seit letztem Jahr in Nizza, nun wird ein anderes Zuckerl angeboten – die Qualifikation zum „Wildflower Label“ in Kalifornien. Das baut mich dann doch wieder auf. Ich starte bei einem Halbmarathon.

Mai: Ich trainiere jetzt viel im Odenwald, nicht nur das Radfahren, sondern auch das Laufen. Aufgrund des kalten Wetters kann man auch wunderbar im Freibad mit Neopren schwimmen. Erstmals kraule ich 3000m am Stück.

05. Juni: Beim Kraichgau-Triathlon die zweite Premiere für mich: Mit 2-60-14 das erste Überschreiten der Olympischen Distanz. Allerdings muss ich noch gut kämpfen, habe das Gefühl, weit von meiner Bestform entfernt zu sein. Und der Countdown läuft…

18. Juni: Ankunft in Gérardmer. Am Abend ein Bummel durchs Städtchen und entlang der Uferpromenade – wenn nur das Damoklesschwert des Wettkampfes nicht über mir schweben würde!

19. Juni: Die Radstrecke wird erkundet – 3 Runden à 40km, pro Runde geht es 2 x von 650 Hm auf 950 Hm. Eine herrliche Landschaft, und 40km lang kann man sie ja auch genießen. Aber 120km ???

21. Juni: Der letzte längere Lauf vor dem Wettkampf. Plötzlich bin ich davon überzeugt, dass ich viel zu wenig trainiert habe.

22. Juni: Am Ufer werden die ersten Absperrgitter gestapelt. So ganz entspannt bin ich jetzt nicht mehr, während ich im Bikini in der Sonne liege und das Ganze beobachte.

23. Juni: Auf einmal bunte Pfeile auf der Straße und Hinweisschilder an den Kreuzungen. Und immer mehr Handgelenke mit gelben Bändchen – und Finisher-T-Shirts von Nizza, Lanzarote, Neuseeland, Hawaii. Mit einem flauen Gefühl im Magen gehe ich zur Pasta-Party. Mein Appetit leidet allerdings nicht darunter, zumal ich schnell netten Anschluss finde.

24. Juni: Merkwürdigerweise wache ich mit einer absoluten „Null-Bock-Stimmung“ auf. Diese hält auch an, cool und relaxed checke ich in die Wechselzone ein. In der Nacht schlafe ich seelenruhig, nur ein heftiges Gewitter lässt mich kurz aufwachen, ich schließe die Dachfenster und bin schon wieder im Tiefschlaf versunken.

25. Juni – der Tag X ist angebrochen…

06:00 Der Wecker klingelt, ich bin Morgenmuffel, die erste Tasse Kaffee wird im Bett getrunken. Schließlich habe ich Urlaub! Und zum Frühstücken muss ich wach sein, sonst habe ich keinen Appetit. Und heute Morgen sollte ich vielleicht doch etwas essen!

07:20 Immer noch ganz entspannt verrichte ich die letzten Vorbereitungen in der Wechselzone und präge mir noch einmal die Wege ein. So langsam werde ich etwas unruhig weil ich so ruhig bin, denn ich weiß: Ohne eine gewisse Anspannung kann ich keine Leistung erbringen.

08:15 Mit dem Neopren über der Schulter mache ich mich auf den Weg zum Start. Ich blicke über den See, der glitzernd in der Morgensonne liegt – und schlagartig ist die Spannung wieder zurück und auch die Vorfreude.

08:50 Das Einschwimmen ist so langsam beendet. Wir werden darauf hingewiesen, dass die Startnummern der Bademützen rechts zu tragen sind.

08:52 Meine Bademütze ist nicht beschriftet!! Ich renne zu einem Kampfrichter. Er geht mit mir zu einem Helfer. Dieser wiederum schickt drei weitere auf die Suche nach einem wasserfesten Markierungsstift. Ich fühle mich wie im falschen Film…

08:56 Vier Minuten vor dem Start bekomme ich meine Nummer.

SWIM: Landstart. Ich muss zwar einiges einstecken, verschaffe mir aber schnell Luft. Nach ca. 1500m verliere ich dann den Anschluss an den Pulk. Damit habe ich auch gerechnet, aber nicht mit dem blendenden Gegenlicht, das mir jegliche Sicht auf die Bojen nimmt. Ich versuche erfolglos, mich am Ufer zu orientieren, da entdeckt ein Begleitboot meine Schwierigkeiten und lotst mich wieder in das richtige Fahrwasser. Weit abgeschlagen, aber immerhin nicht als Letzte erreiche ich nach 01:09 das Land.

BIKE: Erste Runde 01:40, zweite Runde 01:45, weit über die Hälfte der dritten Runde liege ich immer noch im gleichen Zeitrahmen – beim allerletzten Anstieg kommt dann der Einbruch. Kein Hungerast, keine Konditionsschwierigkeiten, sondern einfach keine Kraft mehr in den zitternden Beinen. Aber wenn ich jetzt absteige, dann steige ich auch aus. Also kämpfe ich mich irgendwie nach oben, die Verpflegungsstelle auf dem Col de Grosse Pierre ist ein Paradies, und jetzt rollt es nur noch bergab. Trotzdem habe ich für die letzte Runde fast zwei Stunden gebraucht.

RUN: Ich bin zwar nicht mehr allzu schnell, aber wenigstens wieder locker – das einzige Problem ist alle 2,5 km das reichhaltige Büffet: Außer der üblichen Energiezufuhr gibt es Cocktail-Tomaten, Käsewürfel, Brioche, Kuchen, nur der Café au Lait fehlt… Ich habe mit Sicherheit einige Sekunden verloren, weil ich mich nicht entscheiden konnte. Aber nach der Hölle der letzten Radkilometer gehen die 03:34 vollkommen in Ordnung.

19:24 Ich habe es geschafft – und mir als Siegerin meiner Altersklasse gleichzeitig auch die Qualifikation für Kalifornien erkämpft. Naja, ich war ja auch die Einzige bei den weiblichen „Veteranen 2“!

Christiane Selter