Triumph beim Halbmarathon Bruchhausen – 02.12.2006

Heute will ich es wissen: Schaffe ich es, erstmals die 2 Stunden zu unterbieten? Die Startzeit ist ja optimal, um 14:20 bin ich eigentlich wach. Obwohl wir schon Anfang Dezember haben, herrscht ein herrliches Spätherbstwetter, der ganze Wald leuchtet in rot und gold. Nach dem Startschuss laufe ich locker los, Siggis Vorgabe liegt bei 05: 45 auf den Kilometer – hoppla, bei km 1 liege ich bei 05:25. Ich drossle sofort das Tempo und schon bin ich durcheinander mit dem Rechnen. Na ja, egal, dann orientiere ich mich in „Fünferschritten“. Und das klappt auch, nach 5 km liege ich bei 27 Minuten. Bei Kilometer 12 bin ich immer noch ungefährdet im Soll, langsam werde ich warm und fange an, den einen oder anderen zu überholen.

Und dann wäre ich am liebsten Amok gelaufen. Da fährt doch tatsächlich einer die Ellenbogen aus, drängt mich in einer Linkskurve so ab, dass ich mich zurück fallen lassen muss um die entgegen kommenden Läufer nicht zu behindern. Innerlich koche ich vor Wut, lasse mich aber nicht provozieren, sondern erhole mich ein paar Minuten in seinem Windschatten. Und dann beschleunige ich ganz behutsam, atme möglichst leise – und schon ziehe ich an ihm vorbei. Er versucht zwar noch, sich an mich dran zu hängen, aber er kann das Tempo nicht mehr halten. Da freuen sich die Endorphine!

So langsam werden jedoch auch bei mir die Beine schwer. Da schließt nach etwa 15 km ein anderer Läufer zu mir auf, erzählt mir, dass er erstmals unter 2 Stunden laufen will und ein Freund hätte ihm den Tipp gegeben, sich auf die letzten Kilometer an eine Läuferin zu halten: Frauen könnten ihre Kräfte besser einschätzen. Wunderbar, sage ich, da haben wir ja beide das gleiche vor. Und ohne viele Worte zieht einer den anderen mit.

Kilometer 18 – Zeit 01: 42! Da ist uns klar, unser Ziel ist tatsächlich in greifbarer Nähe. Und beinahe stellen wir uns dann selbst noch ein Bein. Beflügelt von dem Gedanken, persönliche Bestzeit zu laufen, schaut keiner mehr auf die Uhr. Ich bin die erste, die merkt, dass etwas nicht stimmt. Mir wird fast schwarz vor den Augen, meine Beine fühlen sich wie aus Watte an. Ich sage, dass ich einen totalen Einbruch habe, er kontrolliert die Zeit und zieht ebenfalls sofort die Notbremse: Wir hatten uns doch tatsächlich auf einen „Fünferschnitt“ hoch gepuscht! Eine Autobahnbrücke gibt mir fast den Rest. Doch dann kommen die Kräfte wieder zurück, nur noch ein paar Kurven –

01:59:06!!!

Christiane Selter