Bericht einer frischgebackenen Langdistanz-Finisherin

Roth ist einfach super!

Das klingt zwar platt, aber es ist schlicht die Wahrheit. Meine erste Langdistanz wollte ich, nach einer Staffelteilnahme als Läuferin letztes Jahr, unbedingt in Roth absolvieren. Also im September 2005 ein Herz gefasst und die Anmeldung abgeschickt! Und damit war die Verpflichtung da – trainieren, trainieren, und im Wettkampf durchhalten – sonst wäre die Quälerei im Training ja umsonst gewesen….

Nach einer Zwangspause im Winter wegen einer Fußverletzung ging dann im Februar endlich das gezielte Lauftraining los, ab April konnte man dann endlich auch wieder Radfahren. Mit dem großen Ziel vor Augen ist die Motivation für mehrstündige Radtouren am Wochenende stark erhöht, trotzdem bleibt im Hinterkopf immer die bange Frage „Wird das auch reichen, um durchzuhalten?“. Und so fiebert und zittert man, je nach Stimmungslage, dem großen Tag X entgegen.

Am Samstag in Roth gleich die Startunterlagen geholt (die ich netterweise auch ohne gültigen Ausweis bekommen habe – im Eifer der Vorbereitungen hatte ich diesen Hinweis glatt übersehen). Gelbes Bändchen am Handgelenk heißt „Einzelstarter“ – leicht geringschätzig schaut man den „Stafflern“ mit ihren blauen, roten oder grünen Bändchen hinterher. Ab nach Heuberg auf die Superwiese beim Bauern, Zelt aufbauen und Beutel sortieren. Der Laufbeutel wird gleich am Samstag beim Fahrrad-Check-In abgegeben, da muss also alles passen. Rüberlaufen zum Schwimmstart, voller Ehrfurcht in den Kanal gucken – sooo weit ist es bis zur nächsten Brücke, wo morgen die Wendeboje sein wird …. Die Räder und Helme werden in gelbe Mäntelchen gehüllt über Nacht, die Beutel im Lkw verstaut, dann die Wechselzone abmarschieren und schon mal den Standort einprägen, wo ist der Schwimmausstieg, wo das Klo? Und nach getaner Arbeit ist doch glatt noch Zeit für ein Stündchen Entspannung am Rothsee, wohlweislich im Halbschatten, Sonnenbrand gibt’s morgen noch genug. Und am Abend natürlich Nudeln mit Soße und um 9 Uhr ins Bett, trotz Fußball-WM (Brasilien gegen Frankreich). Dreimal den Wecker überprüft, damit er auch sicher um 4 Uhr losquakt …

Am nächsten Morgen ist es noch recht frisch, also Pulli und lange Hose überziehen. Hunger ist nicht vorhanden, aber natürlich muss etwas gegessen werden, also Banane rein, Brötchen rein, Apfelsaft trinken, und ab mit den restlichen Beuteln zum Schwimmstart. Fahrrad auspacken, Riegel und Flaschen dran, Startnummer nicht vergessen, Wechselbeutel mit Handtuch und Co. in die passende Reihe einsortieren, Zielbeutel abgeben, Oberarmbeschriftung suchen, letzte „Gänge“ erledigen – und Neo anziehen. Es ist soweit!

Ins Wasser – ei, ist ja ganz warm, wie angenehm – um uns rum klatschen und johlen alle, wir sitzen hier unten im Wasser wie in einem Stadion, alle schauen auf uns – noch dreißig Sekunden – noch einmal in die Runde winken, weil alle so lieb zu uns sind – und da ist der Böllerschuss! Stoppuhr drücken und ab geht’s, schön ruhig hintendran, nur nicht unnötig Kraft vergeuden im Gedränge. Es läuft gut, ich habe schnell genug Platz und kann nach einer Weile auch immer wieder Schwimmer(innen) überholen, die langsamer werden. Die erste Wende kommt schnell, ein Blick auf die Uhr beruhigt mich bezüglich der Zeit, alles in Ordnung. Ich strecke mich noch ein bisschen mehr auf dem Rückweg, mit Zuschauern am Ufer und den in der Gegenrichtung weitergehenden Starts als Abwechslung ist auch der Rückweg nach Heuberg gar nicht so lang. Dann noch um die letzten Bojen herum, den Ausstieg nicht verpassen, ein wenig wacklig die Matte hochtapsen und weiter geht’s. Mit der Zeit bin ich ganz zufrieden, muss also nicht meinem Frust hinterherfahren, sondern kann ganz locker weitermachen.

Auf dem Rad geht es von einem „Stimmungsnest“ zum nächsten, trotz (oder wegen?) meinem zunächst nicht funktionierenden Tacho habe ich das Gefühl, mein Rad hat Flügel bekommen. Tolle Strecke, nur leicht wellig, bevor eine Steigung so richtig wehtut, ist sie schon zu Ende – außerdem wird man von den Zuschauern, die fast überall stehen oder sitzen, geradezu hochgetragen. Und bergab ist es so übersichtlich, dass sogar Angsthasen wie ich meistens locker beschleunigen können, ohne krampfhaft die Bremsgriffe festzuhalten. Nach der interessanten ersten Runde kommt natürlich noch die zweite, die weniger interessant und mehr vom Wunsch, endlich anzukommen, geprägt ist, vor allem, wenn der Wind auffrischt und ab und zu eben auch von vorne bläst. Dann noch das Schlussstück nach Roth, leicht fallend und mit Rückenwind, das treibt noch mal schön vorwärts. Absteigen – dabei darf man sich sogar am Rad festhalten, die Helfer lächeln wissend und packen fest genug zu – das tut gut. Fester Boden unter den Füßen, angekommen ohne Panne!

Naja, weiter geht’s, Gürtel mit Gels umbinden, Melone essen, trinken, ein paar Meter gehen und die Beine lockern, dann mal versuchen zu joggen, na, geht ja ganz gut, wird sicher noch geschmeidiger, einfach weitertraben. Als mir nach den ersten Metern klar wird, dass ich meiner geplanten Zeit fast eineinhalb Stunden voraus bin, wächst die Motivation, den Lauf sicher nach Hause zu bringen Also: schön ruhig rollen lassen, nicht verkrampfen, aber auch nicht unnötig viel gehen. Und damit laufe ich dann den Kanal rauf und wieder runter, die Beine werden schwer (im Vergleich zu einem „normalen“ Marathon etwa zehn Kilometer früher), der Durst ist immens, ich nehme jeden Schwamm, der mir angeboten wird, und versuche Kopf und Oberkörper ständig nass zu halten, um keine Probleme mit der Hitze zu bekommen. Meine Gels funktionieren, dazu gibt es Cola, Iso, Wasser und ab und zu eine Banane. Die Kilometer fliegen zwar nicht gerade vorbei, aber das zähe Gefühl, eigentlich keine Lust mehr zu haben, kennt man ja vom Training. Und wenn man schneller läuft, kommt man früher an! Wobei von „schneller“ eigentlich nicht mehr die Rede sein kann, sondern nur noch von „überhaupt“ Laufen und nicht Gehen. Aber das letzte Kilometerschild bei km 41 kommt tatsächlich, da stehen die Zuschauer wieder dichter, treiben einen vorwärts, behaupten „nur noch 100 Meter“ (sind aber noch mindestens 300!) und lassen keine Schwäche mehr aufkommen. Der blaue Teppich, die Ansage, das Tor, die Zeitanzeige – geschafft! Die Kraft reicht sogar noch für die Siegerpose …

Supertoll auch die Versorgung danach. Medaille, Finisher-Shirt, Getränke und Essen satt für jeden Geschmack, Massage, Beutelabholung, Duschen (wobei die Schwellen der Duschkabinen für die überlasteten Muskeln ein echtes Hindernis darstellen, das nur in Teamarbeit überwunden wird!). Jetzt kann man sich sonnen in dem Gefühl, das gesteckte Ziel erreicht zu haben, ein Roth-Finisher zu sein, eine besondere Herausforderung bewältigt zu haben.

Lore Mair, Roth 2006