Impressionen aus dem Mittelfeld
Kraichgau-Triathlon 2010

Sonntag, 6.6.10, 7:00 Uhr: Das Rad ist schon im Auto, Ausrüstungsliste nochmal gecheckt, Vorwettkampfverpflegung eingepackt – meine S-Distanz (1500 m Schwimmen, 42 km Radfahren, 10 km Laufen) startet erst am Nachmittag – und ab geht es Richtung Ubstadt-Weiher im Kraichgau. Nach kühlen Monaten schlägt das Wetter genau an diesem Wochenende um, 28 Grad sind angesagt, mit Gewitterneigung, das gibt eine Hitzeschlacht.

8:15 Uhr: Ich assistiere Lore, meiner besseren Hälfte, beim Einchecken (sie macht die M-Distanz). Wir treffen die Vereinskollegen Sabine, Michl und Ulli, die ebenfalls ihre Wechselzone vorbereiten. Um uns herum über 1100 hagere, gestählte Gestalten mit konzentriertem Eiger-Nordwand-Blick, ich komme mir irgendwie am falschen Platz vor.

8:45 Uhr: Eine kurze Sportlerandacht wird abgehalten. Der Pastor, ehemaliger Triathlet, benutzt sinnigerweise das Gleichnis des in der Hitze durch Wassermangel ausgepowert im Straßengraben liegenden Athleten. Na denn!

9:15 Uhr: Schwimmstart der Gruppe von Lore, das Feld zieht sich im Wasser sofort um den Faktor zwei auseinander; als die Spitze bereits die erste Boje, fast am anderen Seeufer, umrundet, ist hinten noch gut die Brustschwimmerfraktion zu erkennen; mir wird vor dem Schwimmen mulmig, da ich mein übliches Schicksal vor Augen sehe.

11:30 Uhr: Nach Einchecken ist (zu viel) Zeit zum Essen, Trinken, Schwitzen (die Temperatur treibt einen bereits eindringlich in den Schatten), Dösen, Pinkeln und was die nervösen Eingeweide sonst noch fordern. Auch die ca. 600 S-Starter wirken alle trainingsgestählt und siegorientiert.

14:05 Uhr: 10 Minuten vor dem Start, reinzwängen in den Neoprenanzug und hoffen, dass die Schwimmbrille dichthält. Mit minus 6 Dioptrien bin ich ohne völlig blind, Bojen erkennen ein Ding der Unmöglichkeit, und da ich stets unter den hinteren fünf Prozent schwimme, ist auch der Pulk der Mitschwimmer nur in den ersten Minuten eine Orientierungshilfe, danach sind sie alle weg. Wie immer vor dem Schwimmstart nagen existenzielle Zweifel in mir: Was tue ich hier eigentlich?

14:15 Uhr: Mit dem Startknall geht es ins Getümmel, die erste rote Boje 600 m voraus absolut unerkennbar. Wie üblich zieht das Feld ab, nur der eine oder andere Brustschwimmer tritt mir beinahe ins Gesicht. Die Brille hält.

14:30 Uhr: Nach der ersten Boje geht es zurück, wenigstens mit der Sonne im Rücken, ich kann mich optisch am Badestrand orientieren, eigentlich alles halb so wild. Ruhe und Leere um mich herum. 100 m vor dem Ausstieg schießen einige Schwimmer an mir vorbei, was mir kurz das euphorische Gefühl vermittelt, dass offenbar noch Teilnehmer hinter mir sind, bis mir dämmert, dass das Schwimmer der Folgestaffel sind, die mich aus 15 Minuten Abstand eingeholt haben. Das Leben ist hart.

14:55 Uhr: In der Wechselzone das Neo runtergetrampelt, endlich wieder eine vernünftige Brille auf der Nase, Helm und Startnummer angelegt und mit dem Rad über die Matte gejoggt. Ein Sattel unterm Hintern, der Nachmittag gewinnt ein Gesicht. Nur das Wasser ist knapp, ich habe nur eine Flasche dabei und die Sonne sticht.

15:30 Uhr: Die Steigung nach Östringen hoch, außer vorbeizischenden „Überrundern“ ist kein Teilnehmer mehr auf der Straße, trotzdem – oder deswegen? – höre ich mehrfach ein „Sieht gut aus!“ vom Publikum. Dann der längere Anstieg auf den Schindelberg, endlich kommen die ersten langsameren Konkurrenten in Sicht. Ich haue rein was geht, jetzt heißt es, das Feld von hinten aufrollen. Bergauf dranbleiben, immer Druck auf die Pedale und die Lunge am Anschlag. Selbst bergab ist der eine oder andere, der meint sich ausruhen zu können, zu überholen, auch wenn Maximaltempo 67 km/h – in meinem UHU-Alter – nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Wohlfühlzuständen gehört. Bei km 20 ist meine Flasche leer, und die Verpflegungsstation in Eichelberg, km 27, ist eine geplante absolute Notwendigkeit. Auf dem Rückweg nach Schönborn schwächeln einige Teilnehmer, wohl auch wegen der zunehmenden Hitze, was noch einige Überholmöglichkeiten schafft.

16:20 Uhr: Absteigen und Sprint in die zweite Wechselzone. Die Körner sind schon ziemlich verschossen (der Preis für erhöhten Fun-Faktor beim Radfahren), und der Kopf sagt: Alarmstufe gelb, Wassermangel. Ich ziehe den deponierten ¾ Liter Isogetränk in mich rein, und am Ausgang der Wechselzone bei der ersten Getränke- und Schwammstation, eingedenk des Gleichnisses der Sportlerandacht, nochmal fünf Becher, bis der Magen schmerzt. Schnellgehen soll es ja auch. Ein paar Schwämme über Kopf und Oberkörper ausgedrückt, und ab in die Hitzeschlacht. Die Sonne scheint, Temperatur gefühlte 30 Grad, es beginnt schwül zu werden.

16:25 Uhr: Die Strecke ist ein doppelter Rundkurs am Rande des Kurstädtchens Bad Schönborn, teilweise geht es durch die Fußgängerzone und durch Parkanlagen (Häuser- und Baumschatten verführen zum Schlangenlinienlaufen), teilweise über vollsonnnige Straßen. Die Zuschauerstimmung ist gut, Anwohner stehen mit Gartenschäuchen bereit, die glühenden Läufer abzuspritzen, an Schwammstationen ist kein Mangel.

16:40 Uhr: Km 4, nach einem weiteren ausführlichen Getränkestopp, hören die Muskeln langsam auf zu knirschen; da meldet sich der rechte Oberschenkel, hoffentlich gibt das keinen Krampf: Noch mehr „Außenkühlung“ durch Schwämme, noch mehr trinken! Die Betreuung auf der Strecke ist perfekt. Eine farblich brasilianisch angehauchte Trommlergruppe leistet unschätzbare Dienste für die Motivation, trommelt sich direkt in die Schaltzentrale für die Endorphinproduktion: Laufen ist Leben!

17:00 Uhr: Schon in der zweiten Runde, das Pferd riecht den Stall. Noch nie auf einem Lauf bin ich solange gestanden (beim Trinken), und noch nie hat sich mein Magen so beschwert, aber die Taktik geht auf: Wie die Zeitauswertung nachträglich zeigen wird, läuft die zweite Hälfte deutlich schneller als die erste, und mit 5:20 min/km trotz der vielen „Standzeiten“ werde ich sehr zufrieden sein.

17:21 Uhr: Für den letzten km ist noch ein kleiner Sprint drin, im Zieleinlauf sind 100 m roter Teppich ausgelegt, Winner-Feeling auch für Mittelfeldler. Kurz ausschnaufen, dann ins Schlaraffenland des Zielbereiches mit Getränken aller Art, Wassermelonen, Bananen, Kuchen, was das Herz begehrt. Bei der inzwischen brütenden Hitze – die Gewitterwolken nähern sich bereits – sind die Highlights einige aufgeblasene fünf Meter große Planschbecken, in die man sich reinlegen kann, um den Körper ausglühen zu lassen. Poolservice für Obstschnitten inbegriffen! Dass das Wasser, hochangereichert mit Athletenschweiß, der Trinkwasserverordnung sicherlich nur noch bedingt entspricht, tut der Attraktivität erkennbar keinen Abbruch.

18:10 Uhr: In der zweiten Wechselzone, zum Abholen der Räder und Kleiderbeutel, treffe ich Lore und auch Ulli, beide habe die M-Distanz hinter sich und sind mit ihrer sechs-Stunden-plus-Leistung mehr oder weniger lädiert und geschafft; mit meinen nur gut drei Stunden „Arbeitszeit“ kann ich da kaum mitreden. Dennoch habe ich, wie die Ergebnisliste später zeigen wird, in der Altersklasse, trotz der Schwimmdisziplin im üblichen Kellerniveau, gerade noch den letzten Platz vor der Mitte geschafft (12 von 25), d. h. gepflegtes Mittelfeld erreicht.

18:30 Uhr: Die Räder sind eingeladen, die Wunden geleckt, wir gondeln geruhsam nach Hause; schwere Regentropfen beginnen auf die Windschutzscheibe zu trommeln. Es war ein schöner Tag!

Gunther Mair